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Goldwaschen am Vorderrhein 1

Bei Disentis am Vorderrhein und Medelser Rhein

Nur drei Tage weilten meine Tochter Ann-Katrin und ich in Disentis / Mustér am Zusammenfluss des Medelser Rheins mit dem Vorderrhein im oberen Teil der Surselva in Graubünden (Gotthardmassiv). Doch diese wenigen Tage hatten es in sich. Es ging uns weniger darum, selbst intensiv nach dem gelben Metall zu schürfen als vielmehr Goldsucher zu treffen, ihnen bei der Arbeit zuzusehen und mit ihnen über ihre Tätigkeit, ihre Leidenschaft und ihre Funde zu sprechen. Zwei professionelle Anbieter von Goldwaschkursen gibt es in der Region. Der bekannteste in Goldsucherkreisen ist “Gold-Gusti” alias August Brändle.

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Die Welt ist klein. Oder anders ausgedrückt: Man trifft sich im Leben immer zweimal. Diese beiden Goldsucher rechts von mir nahmen im Winter vor zwei Jahren an einem meiner Goldwaschkurse am Oberrhein teil. Der Zufall wollte es, dass ich sie hier bei Disentis wieder traf. Inzwischen sind die beiden echte Profis, denen niemand mehr so leicht etwas vormacht. Die Goldfunde auf dem unteren Bild sind der beste Beweis. Ihn suchten wir in seinem Camp “Big Nugget” auf dem Campingplatz Fontanivas am Zusammenfluss des Medelser Rheins mit dem Vorderrhein auf.

Gold wurde in der Gegend von Disentis schon zur Zeit der Kelten und Römer gewaschen, schließlich hatte das edle Metall schon damals einen hohen Stellenwert. Intensiver wurde es wohl erst ab dem Mittelalter gesucht. Gold-Gusti vernahm früh von den Funden und erfuhr auch, “dass sich vor gut einem Jahrhundert oft Leute in den Schluchten aufhielten.” Bei seinen Nachforschungen fand er an mehreren Stellen aufgeschichtete Steine – Indizien, die auf frühere Goldwäschen hindeuteten.

Besondere Funde von Strahlern (Mineraliensammler) machten immer wieder die Runde, wenn sie auf kleine Berggoldaggregate stießen. Gold-Gusti erkannte schon früh, dass sich hier noch mehr Gold finden müsste und begab sich immer wieder auf einsame Touren durch die tief eingeschnittenen Seitentäler.

Zwischen den Jahren 1986 und 1991 führte eine kanadische Explorationsfirma Untersuchungen der Disentiser Gesteinsschichten durch. Dabei verunglückte der Leiter der Gruppe tödlich. Das war das Ende einer womöglichen kommerziellen Goldförderung in der Region.

Trotz vielversprechender Goldfunde wurde kein weiterer Versuch unternommen, einen ernstzunehmenden Abbau voranzutreiben. Dennoch ließ sich Gold-Gusti nicht abhalten, begab sich weiter auf die Suche nach Nuggets und machte schließlich seine Leidenschaft zum Beruf. 1996 sollte ihm das Glück einen ganz besonderen Fund bescheren. In den Tiefen des Medelser Rheins fand er das “Desertina Nugget”, ein immerhin 48,7 Gramm schweres Prachtstück. Damit hatte er den Schweizer Goldrekord aufgestellt. Noch niemals zuvor war ein größeres Schweizernugget gefunden worden. Doch schon bald wurde sein Fund von einem noch größeren übertrumpft.

Ein Kumpel fand 1976 am Vorderrhein ein Nugget mit dem sagenhaften Gewicht von 123,1 Gramm. Und im Jahr 2000 fand ein anderer glücklicher Goldsucher am Bach anstehendes, kristallines Berggold mit einem Gewicht von 1,4 Kilogramm. Es ist der größte Goldlfund der Alpen. Dieser Fund beflügelte nicht nur die in Genf gegründete Firma MinAlp, die seither erneut auf der Suche nach abbauwürdigem Gold ist, sondern auch zahlreiche andere Prospektoren. Übrigens, Gold-Gustis “Desertina Nugget” ist bis heute das größte Nugget geblieben, das in der Lkukmanierschlucht im Rhein Mendel gefunden wurde.

Gold-Gusti betreibt für alle, die gerne einmal am Vorderrhein auf Goldsuche gehen möchten, direkt unterhalb des Campingplatzes Fontanivas seinen “Claim”. Der Wohnwagen, sein Camp, ist nicht zu übersehen und trägt die Aufschrift “Big Nugget”. Gegen eine Teilnahmegebühr führt er Interessierte in die Geheimnisse der Goldwäscherei ein; dazu bietet er sowohl Tagesexkursionen sowie mehrstündige Kurse an und verleiht auch gegen Entgelt sowohl Goldwaschpfannen als auch die komplette Goldwaschausrüstung und sogar Stiefel. Die Kurse werden täglich zwischen Anfang Mai bis Mitte Oktober angeboten.

Außerhalb dieser Zeit ist das Goldwaschen hier nicht ratsam. Im Frühjahr verwandeln sich selbst die kleinsten Rinnsale in tosende Gebirgsbäche und zwar immer dann, wenn auf den Gipfeln der Schnee schmilzt. Ab Oktober ist in der Region mit Schneefällen zu rechnen; dann ist eine Goldsuche hier ohnehin nicht mehr gefahrlos möglich.

Aber auch in der wärmeren Jahreszeit ist die Goldsuche am Vorder- beziehungsweise Medelserrhein nicht ganz ungefährlich. Zumindest für diejenigen, die auf eigene Faust auf die Goldsuche gehen. Die Flussbetten sind voll von riesigen und mehreren Tonnen schweren Steinen.

Oft muss tief gegraben werden, um an die begehrten schweren Sande heranzukommen. Goldwaschen bedeutet hier auch der Einsatz von Brechstangen. In der Lukmanierschlucht (Mendelser Rhein) zeugen zahllose tiefe Grabungslöcher vom Versuch, dem Fluss das goldgelbe Metall zu entreißen. Manche Felsblöcke sind von Baumstämmen notdürftig abgestützt. An anderen Stellen werden an den Hängen tiefe Löcher in den Untergrund gegraben und riesige Felsbrocken zur Seite gerollt, ohne jedoch auf nachrutschendes Erdreich zu achten. Wir haben einige dieser halsbrecherischen Grabungsstellen besichtigt und können nur vor den Gefahren warnen. Die Gegend ist reich an Erdrutschen.

Besser ist es, statt die unsicheren Hänge lieber das Flussbett vorzuziehen. Aber auch hier liegt das Gold keineswegs an der Oberfläche. Schaufeln und Brechstangen gehören hier zwar ebenso zum Standardwerkzeug, allerdings ebenso Hüftstiefel. Dank der guten Strömung lässt sich jedoch in unmitttelbarer Nähe zur Grabungsstelle die Goldwaschrinne einsetzen. Die meisten Goldsucher sieben den Sand vor und befreien ihn damit von Kieselsteinen; wer im Team arbeitet, kann jedoch auch direkt in die Rinne hinein schaufeln, wobei der Partner die größeren Steine per Hand aus dem Waschkanal entfernt.

Wer hier seinen Goldsucherurlaub verbringt, dem empfiehlt sich auch ein Rundgang durch das Dörfchen Disentis / Mustér. Der Name Disentis leitet sich von Desertina (Einöde) ab, das romanische Mustér vom griechischen Monasterion (Ort, wo man einsam lebt). Um 720 / 750 errichtete Bischof Ursicin über den Grabstätten der Heiligen Sigisbert und Placidus ein Kloster nach den Regheln des Heiligen Benedikt. Es ist das älteste Benediktinerkloster der Schweiz. Auf dem Areal des zerfallenen Schlosses Caschliun errichtete der Arzt Augustin Condrau 1877 das Hotel “Disentiner Hof”. 1967 wurde es durch einen Neubau ersetzt. Wanderer können rund um Disentis auf 150 km die traumhafte Berglandschaft erkunden; Wintersportlern stehen 30 km Loipen zur Verfügung. In das auf knapp 3000 Metger hohe Skigebiet führt eine der modernsten Bergbahnen der Schweiz. Eisenbahnliebhaber kommen beim Anblick des Glacier-Express ins Schwärmen. Außerdem endet hier die Vorderrheinlinie der Rhätischen Bahn, die nach Westen von der Matterhorn-Gotthard-Bahn weitergeführt wird.

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