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Goldwaschen am Vorderrhein 2

Goldwaschen bei Disentis und in der Rheinschlucht

Wieder waren Ann-Katrin und ich drei Tage bei den Goldwäschern bei Disentis / Mustér am Zusammenfluss des Medelser Rheins mit dem Vorderrhein im oberen Teil der Surselva in Graubünden (Gotthardmassiv). Meine Tochter war bereits letztes Jahr von der einmalig schönen Landschaft und dem Leben der Goldsucher so begeistert, dass sie sich einen erneuten Besuch dort gewünscht hatte. Diesmal ging es allerdings nicht zur Saisoneröffnung nach Graubünden, sondern zum Ende. Goldwaschen ist dort nur in der Zeit von Mai bis Mitte Oktober erlaubt. Danach herrscht Winterruhe am Fluss. Und darüber wachen die Ordnungshüter der Region sehr genau.

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Wie streng das Verbot durchgesetzt wird, musste ein Goldsucher erfahren, der den mühsamen Aufstieg vom Goldsucher-Campingplatz durch die Gerölllawinen aufwärts auf sich nahm, immer auf der Suche nach der bestmöglichen Schürfstelle. Ohne es zu ahnen hatte er nach dem beschwerlichen Weg die quer durchs Flussbett verlaufende Gemeindegrenze überschritten. Oberhalb der Grenze ist das Goldsuchen bereits am Mitte September untersagt. Ein Wildhüter hatte ihn in der Schlucht entdeckt, seine Beobachtungen der Kantonalpolizei mitgeteilt, die prompt ausrückte und sein gesamtes Werkzeug beschlagnahmte.

Seine Pfannen, Schaufeln, die Eimer und Schaufel bekam er wieder zurück, allerdings erst nach Begleichung einer Geldstrafe. Dennoch war auch für ihn die Plagerei im Medelrhein erfolgreich. Voller Stolz zeigte er uns seine Funde: herrliche Goldkörner, insgesamt waren es einige Gramm.

Aber auch andere Goldsucher beendeten die Saison mit reichen Schätzen. Ein Goldsucher grub rund 50 Gramm unter den riesigen Steinen aus dem Sand hervor. Den Rekord aber erwusch ein Goldwäscher aus Böblingen. Schon etliche Zeit war er hier. 97 Gramm betrug seine Ausbeute, fein säuberlich in Glasfläschen und Violen aufbewahrt. Die Funde wurden natürlich nicht an einem einzigen Tag gemacht. Es gab Tage, klagten die Digger, da hätten sie gerade mal ein paar kleine Körnchen gefunden, bis ihnen das Glück gleich ein ganzes Nest bescherte.

Die eifrigsten Goldsucher mit den größten Funden waren allerdings nicht bloß ein paar Tage hier. Den Rekord im Dauergoldwaschen hielt ein Schwabe, der die Wintermonate dazu nutzt, um zu Hause einer geregelten Arbeit nachzugehen und Geld zu verdienen. Da er keine Familie zu ernähren und auch sonst keine weiteren Verpflichtungen hat, ersparte er sich so den Lebensunterhalb für einige Monate Goldwaschen am Vorderrhein. In der wärmeren Jahreszeit wohnt im eigenen Camper auf dem Campingplatz unmittelbar bei Disentis. Das ist nichts für schwache Nerven, denn nicht immer ist das Wetter sonnig wie während unseres Besuches. Noch am Vortag unserer Anreise waren heftige Regenschauer niedergegangen; das Thermometer plumste auf ein Niveau wenige Striche oberhalb des Gefrierpunktes. Und schließlich gibt’s immer mal wieder auch die gefürchteten Hochwässer.

Anders als am Oberrhein, wo der Fluss zwar breit, aber beschaulich daher fließt und steigende Pegel sich langsam einstellen, was genügend Zeit zum Rückzug ermöglicht, kann’s hier im Quellgebiet des Rheins ziemlich rasch gehen. Erschwerend kommt hinzu, dass überall im Hochgebirge Wasserkraftwerke arbeiten. Urplötzlich werden die Schleusen geöffnet; dann schießen gewaltige Wassermassen flussabwärts. Erfahrene Goldsucher lagern ihre persönlichen Sachen, Rucksack mit Verpflegung sowie die bisherigen Goldfunde, ebenso das nicht benötigte Werkzeug, immer oberhalb der möglichen Hochwassermarke.

Schwillt der Fluss an, gibt’s keine Verzögerung: Sofort müssen die Werkzeuge in Sicherheit gebracht werden. Wer zu lange wartet, verliert sonst seine gesamte Ausrüstung und begibt sich außerdem in Lebensgefahr. Leider werden die wenigen Warnhinweise allzu leicht übersehen. So kommt es, dass man beim Goldwaschen nicht nur das gelbe Metall findet, sondern gelegentlich auch verlorene Ausrüstungsgegenstände unvorsichtiger Zeitgenossen. Von plötzlich auftretenden Fluten berichteten mir gleich mehrere Dauer-Goldsucher. Auch dass ihnen mal eine Schaufel oder anderes Gerät verloren ging.

Ann-Katrin und ich hatten Glück. Wir hatten die Zeit um den deutschen Nationalfeiertag (3. Oktober) für unsere Reise ausgesucht. Das passte mir gut in meinen ganz persönlichen Arbeitsplan. Vor Ort trafen wir nicht nur einzelne Goldsucher oder Gruppen befreundeter Goldwäscher, sondern ebenso etliche Familien an. Kurioserweise waren fast alle aus Deutschland angereist. Klar, sie hatten die Brückentage für ein verlängertes Abenteuer-Wochenende genutzt. Da der Campingplatz allerdings schon geschlossen war, fanden sie Unterkunft in Pensionen und Hotels.

Disentis ist um diese Jahreszeit, wenn die Bergwanderer des Sommers längst abgezogen und sich der gesamte Ort (der Bahnhof an der Gotthard-Matterhorn-Bahn liegt auf rund 1800 Höhenmeter) auf die nahende Wintersaison vorbereitet, ziemlich beschaulich. Zwar haben die meisten Restaurants, Cafés und auch die Kebab-Bude gleich neben der Tourist-Information in der Ortsmitte geöffnet, aber dass um diese Zeit hier der Bär los sein sollte, wird niemand behaupten können. Nur die Goldsucher und einige wenige Bergwanderer sind noch da. Entsprechend günstig sind jetzt auch die Zimmerpreise. Billig ist Disentis allerdings auch in der Vor- oder Nachsaison keineswegs. Die Zimmerpreise sind deutlich höher als in Deutschland und die Lebensmittel kosten deutlich mehr als gewohnt. Man tut also gut daran, genügend Proviant und vor allem Getränke mitzubringen.

Wem dies nichts ausmacht oder wer vorgesorgt hat, wird eine herrliche Landschaft, ein echtes Abenteuer und mit ein bisschen Glück auch Goldkörner finden. Doch die liegen nicht auf dem Flussgrund verteilt. Sie zu finden, erfordert mächtig viel Schweißarbeit. Das Gold entstammt zumeist den Halden, die sich an den Hängen des Medel- und Vorderrheins von den Bergen herab in den Fluss vorschieben. Ann-Katrin und ich fanden etliche Löcher unmittelbar an einem Steilhang; oftmals hingen riesige Gesteinsbrocken, nur noch von Lehm und Wurzeln gefestigt, über dem Abgrund. Auf gar keinen Fall sollte man jenen Lebensmüden nacheifern und ebenfalls unmittelbar am Hang graben. Zu rasch könnte sich oben ein Felsbrocken lösen und herabstürzen, sobald der Untergrund vielleicht sogar durch die Grabungsarbeit gelockert ist. Sicherer ist es, direkt im ohnehin nicht sehr breiten Fluss zu buddeln. Bei Niedrigwasser lässt er sich ohnehin an zahllosen Stellen trockenen Fußes überqueren.

Immer wieder mache ich die Feststellung: Goldsucher sind sehr kommunikative Menschen. Gerne berichten sie über ihre Arbeit, ihre Funde und weshalb sie just an diesem Loch graben und nicht an einer anderen Stelle, vorausgesetzt man stört sie nicht allzu sehr in ihrer Abeit. Das gilt am Vorderrhein ebenso wie am Oberrhein oder sonstwo. Schließlich geht es ihnen in erster Linie ja darum, Gold zu finden. Pausen gönnen sie sich zwar immer mal wieder, aber bitte nicht zu lange.

Am dritten und letzten Tag fuhren wir von Disentis dem noch jungen Rhein entlang in Richtung Chur, hielten immer mal wieder an, um den Fluss sowie seine Geröllbänke zu studieren. Unmittelbar nach Disentis öffnet sich das Tal, wir breiter, aber auch der Fluss selbst, gespeist von Gebirgsbächen und Zuflüssen, wird breiter. Zu unserer Verwunderung sahen wir auch hier Goldsucher bei der Arbeit. Offenbar wollten sie dem Trubel am Medelrhein entrinnen und fanden hier ebenso ihr Glück. Bei Ilanz verengt sich wieder das Gebirge. Der Autoverkehr wird über eine Umgebungsstraße weggeleitet. Hier beginnt die imposante Rheinschlucht. Es empfiehlt sich, ab jetzt eine Straßenkarte zur Orientierung zu verwenden, weil das Navigationsgerät die Schlucht meiden möchte. Ein Besuch lohnt sich allemal. Die Rheinschlucht, auch Ruinaulta genannt, ist eine bis zu 400 Meter tiefe und rund 13 Kilometer lange, imposante Schlucht zwischen Ilanz und der Mündung des Hinterrheins bei Reichenau.

Durch die Rheinschlucht führt keine Straße, nur die Rhätische Bahn; sie unterhält hier die Bahnhöfe Trin, Versam-Safien und Valendas-Sagogn. Die einzige Straße von Ilanz über Versam und Bonaduz verläuft hoch über der steilen Schlucht und ist an manchen Stellen sehr schmal. Wanderer finden jedoch ein gut markiertes Wanderwegenetz vor. Das Gold, was von den Osthängen des Gotthardmassivs stammt und in den Vorderrhein gelangt, wird mit den Geröllmassen hier hindurch in Richtung Bodensee geschwemmt.

Der Besuch bei den Goldwäschern am Vorderrhein wird sicherlich nicht der letzte sein. Das nächste Mal, haben wir uns vorgenommen, wollen wir länger bleiben und uns nicht nur mit der Kamera auf Goldsuche begeben.

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