Bagger
Maschinelle Gewinnung des Flussgoldes
Für das Edelmetall aus dem Fluss wird der dreifache Weltmarktpreis gezahlt. Kiesgrubenbesitzer am Rhein beginnen deshalb, Flitter professionell mit Zentrifugen vom Sand zu trennen, so wie noch heute in Amerika mit schwimmenden Baggern nach Gold geschürft wird.
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So richtig gern spricht keiner der Beteiligten über das Thema. „Der Mythos Rheingold wird immer wieder strapaziert“, sagt Markus Schumacher vom Bundesverband der Deutschen Kies- und Sandindustrie. „Unserer Industrie gereicht das aber nicht unbedingt zum Vorteil.“ Der Mineraloge befürchtet „unschöne Nebeneffekte“: So könnten beispielsweise die Grundstückspreise am Rhein steigen, wenn der Eindruck entsteht, dass in den Kiesgruben nahe der Ufer Goldreserven schlummern. Und einig ist man sich auch nicht: Ist es nun tatsächlich wirtschaftlich interessant, mit aufwendigen neuen Technologien Gold aus dem Rhein zu filtern – oder ist auch das nur ein Mythos?
„Bei einem Fluss, der in solchen Liefergebieten wie der Rhein zu Hause ist, kann man davon ausgehen, dass er Gold führt“, sagt Markus Wagner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Das Flusswasser wäscht Gold aus den Quarzgängen der Gebirge, und im Laufe der Zeit walzt die Strömung es zu winzigen, dünnen Plättchen aus, den Goldflittern. Die Flitter sind so leicht und fein, dass sie vom Wasser bis nach Speyer, Mainz und weiter den Rhein hinabgetragen werden. Weit gereist, lässt sich dieses Gold dem Fluss auch wieder entziehen – ohne professionelle Tricks allerdings nur in mühsamer Kleinarbeit mit Sieben und Pfannen.
Damit Goldwaschen aber mehr wird als nur ein glanzversprechendes Hobby, versuchen Ingenieure und Geologen mit modernen Methoden, dem Fluss sein Gold abzuringen. Sie wollen nicht erst warten, bis das Rheinwasser die Goldvorräte großflächig verteilt. An Kiesgruben, in denen maschinell am gesamten Flusslauf Sand und gröbere Steine getrennt werden, wird das Gestein ohnehin systematisch nach seiner Größe sortiert. Warum also nicht die feinste Fraktion Sand noch zusätzlich nach Goldpartikeln durchkämmen?
Einst wurden die Kiesgruben an den Rheinufern vom Fluss überspült. „Vor Jahrhunderten hatte der Rhein ja einen ganz wilden Verlauf“, sagt Hermann Wotruba, Leiter des Forschungsgebietes Aufbereitung mineralischer Rohstoffe an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. „Er war nicht in einen Kanal gelegt wie heute.“ Schwere Kiesel, vom Wasser rund geschliffen und von Fachleuten unprosaisch „Bodenfracht“ genannt, blieben dort liegen, wo der Rhein heute nicht mehr fließt. Die Hoffnung, dass sich das Rheingold gemeinsam mit dem Kies an den Ufern des Rheins abgesetzt hat, weckt Begehrlichkeiten.
Südlich von Speyer etwa hat man sich vor anderthalb Jahren dazu entschieden, dem Gold eine Chance zu geben. Seitdem läuft hier eine Anlage zur Goldgewinnung, die den täglich geförderten Kies auf das Edelmetall überprüft – das erste Großprojekt zur Ernte von „Rheingold“ seit dem Zweiten Weltkrieg. Hermann Wotruba von der RWTH Aachen war an der Einrichtung der Anlage beteiligt. „Das Projekt ist durchaus wirtschaftlich interessant“, sagt der Ingenieur. Die genaue Größenordnung der Goldausbeute soll geheim bleiben, aber „etliche Kilo Gold im Jahr“ fallen beim Kiesabbau durchaus ab, sagt Wotruba. Das ist vor allem deshalb eine zufriedenstellende Menge, weil für Gold aus dem Rhein mindestens der dreifache Preis gezahlt wird. „Man kauft sich eben den Mythos dazu“, sagt Wotruba.
Dass ein sagenhafter Goldschatz im Rhein versenkt liegt, wird schon im Nibelungenlied besungen und regt seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen an. Um Gold geht es auch in der Wagner-Oper „Das Rheingold“. Sie bewegt insbesondere Bayreuth-begeisterte Japaner dazu, hohe Summen für Schmuck aus gerade diesem Gold auszugeben – auch wenn es sich bei dem Edelmetall aus dem Rhein um natürliches Gold und nicht um Reste besagter Juwelen handelt, die in Richard Wagners „Rheingold“ besungen werden.
Hermann Wotruba schätzt jenseits aller Mythen einen ganz anderen Aspekt des Goldes aus dem Rhein: „Die Anlage läuft komplett mechanisch, deshalb ist das Gold ökologisch unbedenklich.“ Eine Zentrifuge trennt die winzigen Goldpartikel, die meistens kleiner als ein halber Millimeter sind, auch von noch so feinen Kies- und Sandpartikeln. Der unterschiedlichen Dichte der Stoffe sei Dank. „Das Rheingold ist extrem blättchenförmig durch den langen Transport von den Alpen“, sagt Wotruba. „Es ist hauchdünn ausgewalzt und verhält sich sozusagen wie ein Blatt im Wind, wenn es von den Wasserströmungen bewegt wird.“ Deshalb ist der Zentrifuge sicherheitshalber ein feinfasriger Teppich nachgeschaltet, in dem auch die letzten Goldflitter hängen bleiben. Ein rein mechanisches Trennverfahren.
In Bergwerken wird Gold meist viel umweltschädlicher abgebaut: Flüssiges Quecksilber oder Cyanid lösen das Gold aus Gestein, Sand oder Schlamm. Dabei entweichen hochgiftige Stoffe. „In den nächsten Jahren holt man wahrscheinlich mit der jetzt installierten Technologie mehr Gold aus dem Rhein als in der ganzen Zeit zuvor“, mutmaßt Hermann Wotruba. Auch in anderen Flüssen könnte sich die Goldsuche lohnen. Deshalb testet der Geologe Klaus Bitzer von der Universität Bayreuth derzeit eine Anlage in einer Kiesgrube bei Bayreuth. Er prüft, ob auch dort die feste Installation einer Goldzentrifuge Sinn macht.
„Jeden Freitag wäscht der Besitzer der Kiesgrube den Teppich und schickt uns das Konzentrat“, sagt Bitzer. „Wir messen den Goldgehalt mindestens drei Monate lang, denn es könnte ja auch mal Glück gewesen sein, dass an einem Tag besonders viel Gold im Kies war.“ In den vergangenen sechs Wochen sind die Goldgehalte konstant hoch geblieben. Der Kiesgrubenbesitzer hat sich deshalb entschlossen, im kommenden Jahr ebenfalls eine Anlage zur kommerziellen Goldgewinnung einzubauen. Und das, obwohl sein Edelmetall nicht den Zuschlag durch den Rheinmythos verspricht.
Klaus Bitzer ist optimistisch: Er hat sich das System der Goldzentrifuge unter anderem in einer Kiesgrube in Katalonien angesehen, in der anderthalb Millionen Tonnen Kies im Jahr gefördert werden. Denn entscheidend für die Ausbeute an glänzenden Flittern sei schließlich auch die Menge an gefördertem Kies. Die gemessenen Konzentrationen in der Kiesgrube bei Bayreuth übertreffen die Erwartungen. Sie liegen weit über denen des riesigen Kieswerkes in Spanien. Das große Werk in Katalonien scheffelt nämlich bislang keine Reichtümer durch das beim Tagesgeschäft abfallende Gold. „Der Kiesgrubenbetreiber hebt sich die bisher gefundenen Goldpartikel in einem Gurkenglas über dem Kamin auf – zu seiner eigenen Belustigung“, sagt Klaus Bitzer.
Auch die am Rhein ansässigen Goldwäscher des 18. und 19. Jahrhunderts konnten nicht von ihren Goldfunden leben, die sie dem Fluss mithilfe von Waschbänken abrangen. Deshalb verkauften sie zusätzlich Streusand aus dem Rhein. Den dunklen Sand schüttete man früher über frisch fertiggestellte Schriftstücke, damit die Tinte schneller trocknete. Mit der Erfindung des Löschpapiers wurden die Goldwäscher endgültig arbeitslos, ihr Beruf verschwand. Rheingold in jeder Form war allerdings schon immer eine zweischneidige Angelegenheit, bei der Erfolg und Mühsal sehr dicht zusammenlagen. Richard Wagner komponierte seine Oper „Das Rheingold“, der die Goldvorkommen des Rheins immerhin einen Gutteil ihres heutigen Kultstatus verdanken, Ende 1853 innerhalb weniger Monate. Als er das Werk im Januar 1854 vollendet hatte, schrieb er seinem Freund Franz Liszt: „Das Rheingold ist fertig, aber ich bin auch fertig.“
Text von Christina Hucklenbroich